Zur neuen Allgemeinverfügung – und was es noch so gibt

Nachdem nun offensichtlich auch der Kreisverwaltung aufgefallen ist, dass selbst die letzte Allgemeinverfügung vom 15. Dezember in Teilen rechtswidrig war (und immer noch „bis zum Ablauf des 10.01.2021“ ist – was man aber nicht zugeben möchte), wurde heute eine neue, grundlegend überarbeitete Allgemeinverfügung erlassen. 

Im Vergleich mit den alten Allgemeinverfügungen fällt die strukturelle Überarbeitung auf. Dies kann auf eine Beschäftigung mit wesentlichen Vorgaben im Bereich des Verwaltungshandelns schließen lassen – oder, um es mal ganz banal zu formulieren: wurde woanders abgeschrieben? 

Wenn zwar in der neuen Allgemeinverfügung die nächtliche Ausgangssperre und die generelle Maskenpflicht abgeschafft worden sind, sind auf der Seite drei sehr viele Passagen vorhanden, wo ein Mund-Nasen-Schutz zu tragen ist. An sich nichts Ungewöhnliches mehr, galten doch solche Einschränkungen auch in den ersten beiden Allgemeinverfügungen des Landkreises, wie z.B. bei der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel, vor und in Geschäften oder vor dem Eingangsbereich von Schulen und Kindergärten.

Neu aufgenommen wurde jedoch auf Seite vier der folgende Satz: „Die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasenbedeckung während des Unterrichts gilt für Schülerinnen und Schüler ab der Jahrgangsstufe 1“. Das ist dann schon wieder eine weiterreichende Einschränkung als in den Allgemeinverfügungen davor. Fraglich ist, ob dies mit Zahlen von infizierten Schülern durch das Gesundheitsamt belegt werden kann.

Weiterhin fragwürdig ist die Untersagung „des organisierten Sportbetriebs von Kindern und Jugendlichen bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres“ während des Trainings. War es nicht in der Vergangenheit so, dass bei Kindern eher weniger Infizierte anzutreffen waren als bei Jugendlichen oder Erwachsenen? Derweil wäre dann ein Training mit Beginn des 19. Lebensjahres und älter erlaubt? Wohl eher nicht, denn die Zweite Verordnung zur Änderung der Neunten SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung vom 08.01.2021 lässt dies in § 8 (bis auf die bekannten Ausnahmen) nicht zu – auch ohne diverse Altersgrenzen zu setzen. 

Die Landesregierung beschränkt mit dieser geänderten Verordnung den Aufenthalt im öffentlichen wie im privaten Raum auf eine Person sowie „mit maximal einer nicht im Haushalt lebenden Person“ (vorher durften sich noch fünf Personen treffen). Weiterhin werden die Landkreise ermächtigt, präzise Regelungen zu treffen. Magdeburg wälzt damit einmal mehr wieder die Verantwortung auf die Kommunen ab. 

Mit Stand vom 08.01.2021 (13.30 Uhr) war der Landkreisseite zu entnehmen, dass „sich nach eigenen Berechnungen eine wöchentliche Inzidenz von 284 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner“ ergibt. Damit greift weiterhin § 13 Absatz 1 der 9. SARS-CoV-2-EindV (der dem Landkreis weitere Ermächtigungen zur Eindämmung bereits ab einem Wert von 35 Neuinfektionen je 100.000 Einwohnern innerhalb von sieben Tagen erlaubt).

In Absatz 2 wurde die sogenannte 15 km Regelung um den Wohnort neu aufgenommen. Hierbei muss eine Überschreitung von 200 Neuinfektionen je 100.000 Einwohnern über einen Zeitraum von fünf Tagen erfolgen. Eine entsprechende Rechtsverordnung zur Einschränkung der Bewegungsfreiheit wird bereits durch den Landkreis Wittenberg mit den Städten beraten und könnte am Dienstagabend in Kraft gesetzt werden. Der Absatz 4 (der sich mit den Orten von hoher touristischer Anziehungskraft beschäftigt) kann wahrscheinlich für den Landkreis Wittenberg als überflüssig betrachtet werden.

Was allerdings nicht als überflüssig betrachtet werden kann, ist der Artikel der MZ vom 8. Januar 2021. Hier halten wir fest, was vom Landrat zu hören war: „Ausgangssperre und Maskenpflicht auf der Straße hätten aber „keine Effekte“ auf das Infektionsgeschehen gehabt…“. Tja, wenn man die Bürger in die eigenen vier Wände sperrt, auch kein Wunder. Wichtiger ist der folgende Satz: „Bis Ende Januar wolle man das Infektionsgeschehen nun beobachten – sollten die Zahlen dann nicht sinken, sei es wahrscheinlich, dass der Kreis zum letzten Mittel greife: eine ganztägige Ausgangssperre.“ Sollte eine komplette Ausgangssperre so wie im letzten Frühjahr in Jessen umgesetzt werden, dürften sich Zahlen wohl eher nicht verbessern.

Wir hatten bereits erstmals am 5. Januar auf das Zahlenwirrwar hingewiesen und weitreichende Tipps gegeben, wie man z.B. mit Einbindung des Zyklusschwellenwertes (Ct-Wert) und einer Erläuterung die Zahlen von „Infizierten“ senken kann. Wer allerdings „zum letzten Mittel“ greifen möchte, sollte sich der Tragweite dieser Aussage bewusst sein.

Was kommt eigentlich dann, wenn die Zahlen immer noch nicht den fiktiv festgelegten Werten aus dem Elfenbeinturm der Unfehlbarkeit entsprechen?

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