Reise durch Pommern und Ostpreußen *

Der Kreisverband Wittenberg beteiligt sich auf seine Art an der Interkulturellen Woche 2019. Nachfolgend ein kleiner Reisebericht von Anfang August. 

Eigentlich wollte der Schreiber dieser Zeilen nur einen kleinen Leserbrief zur elektronischen Visavergabe verfassen, aber es ist dann doch wohl etwas mehr geworden. Wer sich aus der Erlebnisgeneration diese Chance noch nicht bewusst war, sollte diesen Bericht zum Anlass nehmen, um das weite Land jenseits der Oder zu besuchen. Aber auch die Enkelgeneration darf sich angesprochen fühlen und uns auf den Spuren der Vergangenheit folgen…

Nachdem bekannt wurde, dass die Ausstellung von elektronischen Visa für das Königsberger Gebiet ab dem 01. Juli für maximal acht Tage möglich ist, haben sich auch drei Wittenberger Anfang August nach Pommern und Ostpreußen aufgemacht.

Von der Wartezeit, wie im Artikel der Preußischen Allgemeinen Zeitung (PAZ) beschrieben, durften wir uns allerdings auch überzeugen.
Nach der Ankunft an einem Freitag am Grenzübergang Heiligenbeil um kurz nach sechs standen wir mit dem Auto zwar bereits zehn Minuten später auf der russischen Seite. Allerdings dauerte es noch bis 19.40 Uhr, bis wir die Grenzstation wieder verlassen konnten – was leider immer noch dem umständlichen Verfahren des Ausfüllens eines Formulars zum temporären Importes des Fahrzeuges geschuldet ist.
Mittlerweile ist dieses Formular nicht nur in der englischen, sondern auch in der deutschen Fassung vorhanden, jedoch bindet das Ausfüllen Zeit. Hier könnte die Grenzbehörde oder das Konsulat eine Onlineversion ermöglichen, aber vielleicht kommt dies ja noch mit dem zunehmenden Grenzverkehr.

Die Abwicklung über das Portal des russischen Konsulats (https://russische-botschaft.ru/de/consulate/visafragen/elektronische-visa-fuer-besucher-des-kaliningrader-gebiets/) verlief fast komplikationslos (wenn man von dem Scannen des Passfotos mit anschließender Prüfung auf dem Portal einmal absehen möchte). Was man jedoch auf jeden Fall für den Antrag benötigt, ist eine Unterkunft, ohne diese kommt man im passwortgeschützten System nicht weiter.

Nachdem wir den Jahreswechsel 2017/2018 in Königsberg sowie 2018/2019 in Thorn verbrachten, konnten wir sehr viele neue Eindrücke bei sommerlichen Temperaturen mitnehmen.
Beginnend mit einer Übernachtung in Stettin ging es abends in die Altstadt.

Dann erfolgte die bereits oben erwähnte Grenzprozedur. Unsere erste Station am Samstag war der Besuch des neuen Stadions auf der Lomse.
Wie es bei nicht geführten Ausflügen so ist, hatten wir Glück und bekamen (nachdem wir einige Runden auf dem Gelände mit Fahrrädern für einen guten Zweck drehen konnten) sogar noch eine Führung durch das Stadion mit Mannschaftskabine, Presseraum und Tribüne inklusive.

Was nur irritierte, ist im Bild gut zu erkennen. Nicht nur Gullys, sondern auch Lichtmasten ragten über das Pflaster hinaus bzw. senkte sich das Pflaster an den Eingangsbereichen. Auch wenn man das vielleicht als russische Bauweise bezeichnen kann, immerhin steht das Stadion und ist auch weiterhin in Nutzung – ganz im Gegensatz zum BER…

Natürlich durfte die Alte Börse mit dem davor noch funktionierenden Springbrunnen sowie die Ausgrabungsstätte vom Königsberger Schloss bei der Besichtigung nicht fehlen.

Der nächste Tag führte uns dann mit einer ganz modernen Bahn vom Nordbahnhof zum mondänen Ostseebad Rauschen. In herrlicher Landschaft gelegen, ging es am Strand zu Fuß weiter – in Richtung Warnicken zur Wolfsschlucht, was aber durch unwegsames Gelände dann doch mit dem Auto fortgesetzt werden musste. Dank des hervorragenden Kartenmaterials von Blochplan (Nord-Ostpreußens Samland) aber auch kein Problem!

Wieder einen Tag weiter führte uns der Weg nach Labiau, bzw. was davon übrig ist. Es wurden inspiziert Brücke, Burg und die Alte Brauerei, die im hinteren Teil sogar noch einen Bunker aus anderen Zeiten vorzuweisen hat.

Zu einem weitaus schöneren Teil ging es am Mittag nach Gilge ins Fischdorf. Nachdem am Großen Friedrichsgraben ausgiebig das Mittagsmahl eingenommen und der kleine Ort fußläufig erkundet wurde, ging es anschließend mit einem kleinen Schiff auf´s Kurische Haff, um dann in das weitläufige Grabensystem zu schippern.

Eine einmalige Naturlandschaft, kaum touristisch erschlossen und mit interessanten technischen Bauwerken, wie z.B. der Schwenkbrücke. Im Bereich des ehem. Pfarrhauses (heute eine Unterkunft mit mehreren Gebäuden für Reisende) hingen noch so einige gesammelte Blechschilder an den Wänden, die hier in Deutschland sicher einen gewissen Sammelwert besitzen dürften. Die Kirche gibt es zwar nicht mehr, nur das erwähnte Pfarrhaus nebst Garten ist mit den alten Obstbäumen übrig geblieben. Ein besonderer Dank gilt hier der Garten- und Baumpflege, denn die Pflaumen waren überaus köstlich!

Zur Rückreise waren wir im russischen Teil der Grenze nach zehn Minuten durch, mussten uns aber dafür fast anderthalb Stunden auf der polnischen Seite gedulden. Es handelt sich ja schließlich um die EU Außengrenze, da will schon ordentlich kontrolliert werden.

Dann ging es nach Danzig. Wie man sieht, wurden nicht nur die vielen Altbauten restauriert, sondern auch Neues geschaffen. Im letzten Bild kann man erahnen, wie es vielleicht mal in Wittenberg vor der Entfestigung ausgesehen haben könnte – in Danzig hat man noch etwas vom Festungsbau übrig gelassen.

Nach diesem längeren Abstecher ging es dann über Allee gesäumte Landstraßen ins kleine Dorf Dammen im Kreis Stolp zu einer als Unterkunft umgebauten alten Mühle auf den Spuren der familiären Vergangenheit eines Mitreisenden.

Hier gilt der Dank an die Herbergsmutter für die köstliche Verpflegung!
Nach einer kleinen Nachtwanderung in stockdunklen Wiesen und Wäldern (was man heutzutage wohl kaum noch in Deutschland machen kann) ging es am nächsten Tag an die Erkundung des Umfeldes.

 

Und, was findet man in einer Mühle – unter anderem auch Walzenstühle von der bekannten Wittenberger Firma Wetzig! So klein kann manchmal die Welt sein…

Zumindest können wir aus unseren Eindrücken festhalten, dass sich viel verändert hat – nicht nur in Pommern, sondern auch in Ostpreußen. Viele Baustellen, neue Häuser und eine großflächige Landwirtschaft kennzeichneten unsere kurze Reise durch zwei Staaten. Abgehängte Regionen sehen heute längst nicht mehr so verlassen aus wie früher – und sind wohl eher in Teilen der Bundesrepublik zu finden.

Bevor es dann wieder nach Wittenberg ging, war noch ein Abstecher in Kolberg angesagt, Fisch essen inklusive. Wer mal mit einem Kanonenboot schippern möchte, ist dort gut aufgehoben. Würde in Deutschland nicht funktionieren, die Polen haben dazu ein unkonventionelles Verhältnis.

Zurück ging es dann wieder über Stettin direkt nach Wittenberg. In Stettin hatten wir noch das Glück kurz vor Ladenschluss in der Armenisch-Georgischen Bäckerei leckeres Gebäck zu erhalten, was uns bereits einige Tage vorher zur Anreise beeindruckte.

Kurz gesagt:
Die kostenfreien Visa für das Königsberger Gebiet sind eine schnelle und günstigere Alternative als die meistens über Reisebüros ausgestellte länger gültige Dokumente. Wer also kurzerhand in seine alte Heimat oder in die der Vorfahren fahren möchte, fährt mit der elektronischen Variante der Visaerteilung sehr gut.

Maik Bialek

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