Er ist wieder da! Der „Antisemitismusbeauftragte“ Felix Klein hat saumäßiges Sodbrennen: Er meint, die Lutherstadt Wittenberg sei als Standort des neuen deutsch-israelischen Jugendwerks ungeeignet, so die MZ auf ihrer Netzseite am 02. August 2023.

Der Hintergrund: „Die Judensau“ befindet sich nach wie vor an der Wittenberger Stadtkirche, obwohl F. Klein seit Monaten wiederholt ihre Entfernung verlangt. Zuvor hatte er wegen der sandsteinernen Präsenz der Plastik die Aberkennung des Unesco-Welterbestatus gefordert. Aber die Verantwortlichen in der Lutherstadt sind bockig – und sie bleiben es hoffentlich auch. Dem Antisemitismus-Fetischisten Klein schlägt das so schwer auf den Magen, dass er sich jüngst zu der erpresserischen Aussage hinreißen ließ: „Damit Wittenberg Sitz des Deutsch-Israelischen Jugendwerks werden kann, muss zuerst die antisemitische ‚Judensau‘ entfernt werden.“1)

Er hatte bereits im MZ-Interview am 10. Mai 2023 gedroht: “Ich werde bei diesem Thema auf jeden Fall dranbleiben.“2) An gleicher Stelle behauptete er, der Wittenberger Kirchenvorstand sehe die internationale und außenpolitische Dimension des Themas nicht ausreichend. Außerdem unterstellte er der Stadtkirchengemeinde fehlende Empathie. Und das, obwohl der Führer im Kampf gegen Judenhass die Lage doch eindeutig erklärt hat!

Es zeugt von profunder Unkenntnis der Strukturen und rechthaberischer Arroganz einer gesamten Kirchengemeinde fehlendes Einfühlungsvermögen zu unterstellen, weil der Gemeindekirchenrat (GKR) sich gegen eine Abnahme der Plastik entschieden hat – aus guten, Herrn Klein jedoch unverständlichen Gründen. Immerhin ist es ein Einblick in seine kleinlich-intolerante Geisteshaltung. Im Furor der Schlacht ist ihm wohl auch entgangen, dass er in dieser Angelegenheit nicht zu Entscheidungen berufen ist.

Die Beseitigung mittelalterlicher kultur- und religionsgeschichtlicher Kunstwerke gehört nicht zu den Aufgaben des „Beauftragten der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus“ – so die sperrige Amtsbezeichnung. Aber genau danach verlangt es den Beauftragten unwiderstehlich. Er ist nicht imstande, den Gegenstand seines Hasses differenziert zu betrachten und geschichtlich einzuordnen. Hass macht eben blind. Der Wortlaut der alten Mahnung „sine ira et studio“* ist ihm sicher geläufig, ihre Bedeutung aber nicht zugänglich. So verschwimmen Amtsausübung und Hobbykampf gegen Antisemitismus.

Um die Bedeutung seines Amtes und seiner Person über jeden Zweifel zu erheben, muß Herr Klein den Antisemitismus ständig neu erfinden. Dazu vermischt er „cum ira et studio“** die Vergangenheit mit der Gegenwart. Im genannten Interview verweist er darauf, dass laut Artikel I der Unesco-Verfassung [„… die Achtung vor Recht und Gerechtigkeit und vor den Menschenrechten gestärkt werden sollten …“] 3). Diese Aussage kann aufgrund ihrer Allgemeinheit für alles mögliche mißbraucht werden; der Antisemitismus-Beauftragte mißbraucht sie als Begründung, der Wittenberger Plastik das Existenzrecht abzusprechen.

Da hängt nun die arme Sau und verhindert die Achtung vor Recht, Gerechtigkeit und Menschenrechten. Sie „hängt“ dort seit ca. 1290 – mit wechselnder inhaltlicher Bedeutung durch die Jahrhunderte. Dem aufmerksamen, unvoreingenommenen Betrachter zeigt sie, wie der Sinn der Zeit den Sinn des religiösen Kunstwerks beeinflußt. Denn als religiöses Kunstwerk wurde die Plastik geschaffen. Ihre Verunglimpfung durch Herrn Stein als antisemitische Schmähplastik ändert daran nichts. Die unvoreingenommene Betrachtung ist eben nicht seine Sache.

Die genannte Unesco-Verfassung wurde 1945 verabschiedet und 2001 geändert. D.h. mehr als 650 Jahre hatte sie, da nicht vorhanden, keinen Einfluß auf das Dasein der Plastik. 2023 bemerkt der hellsichtige Antisemitismusbekämpfer, dass die Existenz des Kunstwerks gegen die Prinzipien dieser Verfassung verstößt. Spagat kann er wirklich gut. Man stelle sich die Folgen vor, falls man dieser Logik folgt. Was müßte dann nicht alles weg bzw. der „öffentlichen Sichtbarkeit“ 4) entzogen und in „Lernorte“ 5) integriert werden! Nur wenn man alle Kirchen abreißt ist gewährleistet, daß keine von Herrn Klein als „antisemitisches Schmährelief“ eingestufte Plastik übrig bleibt. Andere Länder sind im Bildersturm schon weiter.

Als Argument gegen den Standpunkt des GKR, eine erläuternde Einordnung sei für die Kontextualisierung ausreichend, borgt sich Herr Klein ein flach-sinniges Zitat des Landesbischofs Kramer: „Eine Beleidigung bleibt eine Beleidigung, ob man sie nun kommentiert oder nicht.“ 6) Der eifernde Beauftragte weiter: [„… was eine Beleidigung darstellt, ist im Übrigen etwas, was der Empfänger der Beleidigung entscheidet und nicht der Sender.“] 7) Eben. Aber „der Empfänger“ kommt zu kurz, den die Entscheidung ist gefallen; durch die Herren Kramer und Klein. Hier läuft offensichtlich einiges nicht rund.

Fühlt sich der Betroffene beleidigt, läßt er die Angelegenheit auf sich beruhen, oder er beschreitet den Rechtsweg; Beleidigung ist ein absolutes Antragsdelikt, wird also von Amts wegen nicht verfolgt. Trotz der Klein-Behauptung, [… Jüdinnen und Juden empfinden die Darstellung in großer Mehrheit als Beleidigung.] 8) scheinen solche Anträge kaum vorzuliegen. Der Antisemitismus-Beauftragte hat seine Behauptung entweder aus der Luft gegriffen, oder er kennt fast alle Jüdinnen und Juden der Welt.

Unfähig zur sachlichen Betrachtung des Gegenstandes seiner Wut, wird Herr Klein von einem Bild des Schreckens gepeinigt: Er stellt sich [„… einen Touristen vor, der wegen des Unesco-Welterbe-Status’ aus Israel oder den USA nach Wittenberg kommt und dieses Relief dort akzeptieren muss, das ganz klar zum Ausdruck bringt: ‚Wir wollen dich hier nicht haben. Juden sind hier unerwünscht.‘“]. 9) Das kann jeder Jude dieser Welt sein. Und alle fahren sie entsetzt nach Hause und erzählen, in Wittenberg seien Juden unerwünscht. Das habe ihnen die Sandsteinsau deutlich gemacht.

Das tun sie natürlich nicht. Das tut Herr Klein. Und fügt in seinem Furor der Lutherstadt erheblichen Schaden zu. Man sollte ihm raten, sich fachlicher Betreuung zu unterziehen. Keine Mißverständnisse: fachliche Betreuung in religionsgeschichtlicher Hinsicht. Die Untersuchungen von Dr. Insa Christiane Hennen und Dr. Mario Titze 10) unterscheiden sich in ihrer Differenziertheit wohltuend von den schmalspurigen, ideologiegesteuerten Klein-Einlassungen. Durch seinen Kopf spukt eine Sau aus Stein, die seit 1290 unaufhörlich grunzt: „Juden unerwünscht!“. Die muß er erlegen.

Beschließen wir den Ausflug in seine im Sumpf der Unduldsamkeit und der Rechthaberei versunkene geistige Welt mit zwei Zitaten:

„Eine Stadt, in der mit der ‚Judensau‘ an der Stadtkirche Judenfeindlichkeit so offen ausgestellt wird, kann für jüdische Israelis kein Ort des Willkommens sein.“11)

„Es ist jedoch schwer zu vermitteln, dass nun gerade Wittenberg zu einem Ort der deutsch-israelischen Verständigung werden soll.“12]

Das ist schäbig und bösartig. Das ist Herr Klein. In früheren Zeiten hatten Städte Mauern. Sie dienten der Verteidigung; auch der Verteidigung der Freiheit: Die Bürger wurden vor eifernden Kleingeistern geschützt, denen die Störung des städtischen Friedens armselige Befriedigung verschaffen sollte.

Zu die Tore! In Abwandlung des obigen Kleingeist-Zitates: „Wir wollen dich hier nicht haben. Du bist hier unerwünscht.“

Helmut Poenicke

1) MZ-Netzseite, 02.08.2023
2) “Mangelnde Empathie? MZ, 10.05.2023
3) ebenda
4),5) Quelle: Diskursbeitrag „Nicht von gestern…“, Ev. Akademie 26.08.2022
6) “Mangelnde Empathie? MZ, 10.05.2023
7) ebenda
8) ebenda
9) ebenda
10) „Die Wittenberger Sau“, Kleine Hefte zur Denkmalpflege Nr. 15, Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt
11) MZ-Netzseite, 02.08.2023
12) MZ-Netzseite, 02.08.2023

* Ohne Zorn und Eifer
** Mit Zorn und Eifer