Das geplante Wasserstoffprojekt „Green-Root“ in Wittenberg [1], [2] wird von seinen Befürwortern als „Riesenchance“ für die Region und die Energiewende gepriesen. Mit einem Investitionsvolumen von 1,6 Milliarden Euro und ambitionierten Zielen soll hier eine der modernsten Elektrolyseanlagen entstehen. Doch bei genauer Betrachtung offenbaren sich massive Risiken: wirtschaftlich, technologisch und politisch. Die grundlegenden Annahmen, die diesem Vorhaben zugrunde liegen, wirken optimistisch, ja beinahe utopisch. Noch schwerwiegender ist jedoch, dass die potenziellen Verluste nicht von den beteiligten Unternehmen getragen, sondern durch Steuergeld abgesichert werden – ein Szenario, das politisch zwar nie offen ausgesprochen wird, aber in der Praxis häufig eintritt.
Grüner Wasserstoff gilt zwar als zentrale Technologie für eine nachhaltige Zukunft, doch die Realität sieht anders aus. Die Technologie der Elektrolyse ist seit Jahrzehnten bekannt und bleibt trotz technischer Fortschritte ineffizient und teuer. Der Wirkungsgrad moderner Elektrolyseanlagen liegt bei etwa 60 bis 70 Prozent und dabei ist der Energiebedarf für Verdichtung bzw. Verflüssigung noch nicht berücksichtigt. Um ein Kilogramm Wasserstoff herzustellen, das etwa 33 Kilowattstunden Energie enthält, werden rund 50 bis 55 Kilowattstunden Strom benötigt. Dieser immense Energiebedarf macht elektrolytisch erzeugten Wasserstoff zu einem der teuersten Energieträger. Aktuell belaufen sich die Kosten auf 4 bis 8 Euro pro Kilogramm – ein Vielfaches der Herstellungskosten von Wasserstoff aus fossilen Quellen wie Methan, der für 1 bis 2 Euro pro Kilogramm produziert werden kann. Selbst unter optimistischen Annahmen wird grüner Wasserstoff in den kommenden Jahrzehnten nicht wettbewerbsfähig sein, da die physikalischen und wirtschaftlichen Grenzen der Elektrolyse schwer zu überwinden sind.
Hinzu kommt, dass die derzeitige Kapazität an erneuerbaren Energien in Deutschland bei weitem nicht ausreicht, um ein Projekt dieser Größenordnung zu versorgen. Die Produktion von grünem Wasserstoff erfordert immense Mengen an Strom aus erneuerbaren Quellen wie Wind- und Solarenergie. Doch schon heute sind die vorhandenen Kapazitäten kaum in der Lage, den bestehenden Strombedarf zu decken, insbesondere angesichts der wachsenden Nachfrage durch die Elektrifizierung des Verkehrssektors und anderer Industrien. Der Ausbau der erneuerbaren Energien und der dafür notwendigen Infrastruktur würde enorme Investitionen erfordern, die in den bisherigen Kosten des Projekts noch gar nicht eingepreist sind. Damit nicht genug: Auch die Verteilnetze für den Wasserstoff selbst, wie sie für eine flächendeckende Versorgung notwendig wären, oder entsprechende Logistiklösungen existieren noch nicht in ausreichendem Maße und müssten parallel aufgebaut werden. Diese zusätzlichen Anforderungen machen das Projekt noch teurer und komplexer.
Das eigentliche Problem des Projekts liegt jedoch nicht nur in der Technologie, sondern in der Abhängigkeit von staatlichen Förderungen. Politisch motivierte Projekte wie dieses basieren auf der Annahme, dass Markt und Technologie sich automatisch entwickeln, sobald die Infrastruktur vorhanden ist. Historische Beispiele belegen jedoch, dass diese Erwartung oft nicht erfüllt wird. Steuergelder werden in derartigen Fällen oft leichtfertig bereitgestellt, um Projekte durch staatliche Mittel abzusichern.
So weit in die Historie muss man jedoch nicht schauen. Es reicht, ein Blick ins Netz zu werfen – was auch die Befürworter von „Green-Root“ hätten ganz einfach machen können, bevor man sich medienwirksam in Szene setzt. Das Wasserstoff-Flaggschiff HH2E – der „Vorreiter in der von der Bundesregierung propagierten Wasserstoffwirtschaft“ hat ein Insolvenzverfahren in Eigenregie angemeldet [3]. Wasserstoffprojekte dieses im Jahr 2020 gegründeten Unternehmens sollten in Borna/Sachsen mit einer Elektrolyseanlage für den Flughafen Halle/Leipzig grünen Flugtreibstoff ermöglichen, in Lubmin eine 1000-MW-Anlage aufgebaut werden und auch mit dem Berliner Senat hatte man eine Absichtserklärung zum Beginn des letzten Jahres unterzeichnet – um dort Wasserstoff für bis zu 30 Prozent der Berliner Haushalte für die Wärmeversorgung produzieren zu können.
Aber es geht noch weiter, denn nicht nur das norwegische Unternehmen Equinor hat die Planung einer Wasserstoffleitung nach Deutschland gestoppt. Nun kam die Mitteilung des dänischen Netzbetreibers Energinet. Der geplante Bau einer Wasserstoffleitung nach Deutschland wird sich damit um Jahre verzögern – das Jahr 2031 ist laut dem dänischen Klima- und Energieministerium anvisiert. Wenn man sich dann auch noch weitere Beispiele [4], [5], [6] zur großartigen Nutzung von Wasserstoff über Brennstoffzellen anschaut, kommt nicht nur die Frage auf, auf welchen Luftschlössern die politisch verantwortlichen Akteure Reiner Haseloff und der OB „von Gottes Gnaden“ Torsten Zugehör leben. In der Realität stehen nicht nur die Wasserstoffzüge still, auch werden Leitungen um Jahre verschoben bzw. gar nicht erst gebaut!
Allerdings gilt es auch weitere Risiken zu betrachten. Besonders problematisch ist nämlich die Verteilung der Gewinne und Verluste: Während die beteiligten Unternehmen, allen voran die VNG AG, abgesichert sind, werden mögliche Verluste durch Steuergelder aufgefangen. Die VNG AG mit Sitz in Leipzig ist einer der größten Gasimporteure Deutschlands sowie ein bedeutender Betreiber von Infrastruktur wie Speichern und Ferngasleitungen. Als Lieferant für rund 400 Stadtwerke, Regionalversorger und Industrieunternehmen deckt das Unternehmen etwa ein Fünftel des deutschen Gasbedarfs ab. Die VNG ist damit nicht nur systemrelevant, sondern auch politisch eng mit der Sicherstellung der Energieversorgung verbunden – eine Tatsache, die eine Insolvenz praktisch unmöglich macht. Gewinne aus „Green-Root“ blieben dabei privat, während Verluste über Steuergelder abgesichert werden könnten – ein bekanntes und problematisches Muster.
Sehr auffällig ist die Position der SKW Stickstoffwerke Piesteritz in diesem Vorhaben. Das Unternehmen setzt bisher auf Erdgas als zentralen Energieträger für die Produktion von Düngemitteln und ist daher auf eine verlässliche und kostengünstige Energieversorgung angewiesen. Die Hoffnung, in Zukunft Wasserstoff nutzen zu können, basiert auf der Annahme, dass dieser in ausreichender Menge und zu wettbewerbsfähigen Preisen verfügbar sein wird. Doch die Realität sieht anders aus: Grüner Wasserstoff kostet mit bis zu 24 Cent pro Kilowattstunde fast das Fünffache von Erdgas, das für die Industrie bei etwa 5 Cent pro Kilowattstunde liegt. Der Unterschied ergibt sich aus den spezifischen Heizwerten: Während ein Kilogramm Wasserstoff etwa 33,33 kWh Energie enthält und bis zu 8 € kostet, ergibt sich ein Preis von 24 Cent/kWh. Im Vergleich dazu enthält ein Kilogramm Erdgas etwa 13,9 kWh Energie und kostet bei einem Industriepreis von 1,39 € nur 5 Cent/kWh. Dieser gravierende Kostenunterschied würde die Produktionskosten von SKW drastisch erhöhen und stellt das Wasserstoffprojekt in Frage.
Der Geschäftsführer Carsten Franzke betont, dass „das Dach in der Branche brennt“ und die Herausforderungen nicht länger aufgeschoben werden können. Diese Aussagen verdeutlichen, dass SKW in grünen Wasserstoff weniger eine strategisch durchdachte Lösung als vielmehr die letzte Hoffnung sieht, um aus der wirtschaftlichen Schieflage herauszukommen. Doch angesichts der enormen Mehrkosten und der unsicheren Verfügbarkeit von grünem Wasserstoff wirkt diese Strategie wie ein verzweifeltes Festhalten an einem Strohhalm.
Die ambitionierten Zeitpläne verstärken die Skepsis. Die finale Investitionsentscheidung soll erst 2026 oder 2027 fallen, die Inbetriebnahme der Anlage ist frühestens für 2029 oder 2030 vorgesehen. Erfahrungen mit vergleichbaren Großprojekten in Deutschland wie dem Flughafen BER oder Stuttgart 21, zeigen jedoch, dass diese Prognosen selten realistisch sind. Gleichzeitig fehlt die notwendige Infrastruktur: Weder die Energieversorgung noch Transportwege für Wasserstoff sind ausreichend vorhanden. Der Aufbau dieser Strukturen wird deutlich mehr Zeit und Geld erfordern, als in den Plänen vorgesehen.
Das Wasserstoffprojekt basiert zudem auf der Annahme, dass die Nachfrage nach grünem Wasserstoff in den nächsten Jahren massiv steigen wird. Doch ohne klare Marktstrukturen bleibt dies eine unsichere Prognose. Nicht nur die Geschichte der H2Mobility-Initiative zeigt, dass Infrastruktur allein nicht ausreicht, um einen Markt zu schaffen. Ohne langfristige Abnehmer könnte die Anlage in Wittenberg zu einem weiteren teuren Denkmal politischer Überambition werden.
Historische Fehlschläge wie Solarworld oder Northvolt unterstreichen, wie schnell politisch geförderte Großprojekte scheitern können, wenn die wirtschaftlichen Grundlagen fehlen. Solarworld, einst Aushängeschild der deutschen Solarindustrie, musste 2017 Insolvenz anmelden, weil es nicht mit asiatischen Konkurrenten mithalten konnte – trotz massiver Subventionen. Northvolt, ein schwedischer Batteriehersteller, erhielt ebenfalls umfangreiche staatliche Unterstützung, geriet jedoch jüngst auch in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Diese Fälle zeigen, dass Subventionen allein nicht ausreichen, um wettbewerbsfähige Märkte zu schaffen. Sie verdeutlichen zudem, dass politisch motivierte Investitionen häufig auf überhöhten Erwartungen basieren, während die langfristigen Risiken ausgeblendet werden.
Das Wittenberger Projekt droht in dieselbe Falle zu geraten. Es handelt sich weniger um ein wirtschaftlich solides Vorhaben als um ein Prestigeprojekt, das die deutsche Energiewende symbolisieren soll. Doch die grundlegenden Probleme – hohe Kosten, unsichere Nachfrage, unzureichende Infrastruktur und Abhängigkeit von Subventionen – bleiben bestehen. Durch Steuergelder abgesichert, wird hier ein Projekt finanziert, dessen Erfolg alles andere als gesichert ist. Private Investoren hingegen meiden solche Projekte häufig, da die Risiken zu hoch sind. Dieser Unterschied verdeutlicht, dass öffentliche Gelder oft leichtfertiger eingesetzt werden als privates Kapital.
Die Energiewende ist längst gescheitert – ein teures, ideologisch motiviertes Experiment, das Deutschland von einem Industriestandort zu einem wirtschaftlichen Verlierer gemacht hat. Während andere Länder auf eine verlässliche und kosteneffiziente Energiepolitik setzen, hat Deutschland sich selbst in die Abhängigkeit von wetterabhängigen Energiequellen wie Wind und Solar manövriert, ohne die notwendigen Speichertechnologien oder eine sichere Grundlastversorgung bereitzustellen. Die Folgen sind unübersehbar: Unternehmen wandern ab, Standorte werden geschlossen, Arbeitsplätze gehen verloren. Statt ein Vorbild für die Welt zu sein, ist Deutschland zum abschreckenden Beispiel geworden – eine Nation, die ihre wirtschaftliche Stärke und industrielle Basis für ideologische Träumereien geopfert hat.
Projekte wie „Green-Root“ in Wittenberg sind ein weiterer Schritt in Richtung Abgrund, wenn sie auf der gleichen gescheiterten Logik aufbauen, die die Energiewende geprägt hat. Dabei ist die Elektrolyse als Konzept, um überschüssige Energie aus erneuerbaren Quellen lagerfähig und nutzbar zu machen, durchaus interessant und bietet Potenzial. Selbst bei einem optimistischen Wirkungsgrad von etwa 30 Prozent könnte grüner Wasserstoff in spezifischen Anwendungen, wie beispielsweise als Mischgas, sinnvoll eingesetzt werden – vorausgesetzt, die technischen Voraussetzungen stimmen. Doch um ganze Industrien zu versorgen, ist dieses Konzept derzeit völlig ungeeignet. Als alleinige Lösung zur Dekarbonisierung und Energieversorgung fehlt es an Wirtschaftlichkeit, Effizienz und der notwendigen Infrastruktur.
Es ist höchste Zeit, die Realität anzuerkennen und zurückzukehren zu einer Energiepolitik, die auf bewährten Grundlagen wie Atomkraft, Kohle und Erdgas basiert – verlässlich, bezahlbar und zukunftsfähig. Nur so kann Deutschland seinen Status als Industriestandort sichern und die Fehler der ideologisch geprägten Energiewende hinter sich lassen. Wenn Ministerpräsident Reiner Haseloff in der MZ meint „Wir riskieren die Zukunft des Industriestandortes Deutschlands“, hat er wohl die letzten Jahre geschlafen? Wer der „Kanzlerin der Herzen“ in ihrer einsamen Entscheidung z. B. zum Ausstieg aus der Atomenergie trotz gültiger Verträge nichts entgegengesetzt hat, braucht jetzt auch nicht in Brüssel bei der Leyendarstellerin auf Betteltour gehen.
Realität ist auch in Bezug zum geplanten Standort des Wasserstoffprojektes auf dem Gelände alten Wittenberger Wasserwerkes angebracht – und mit der Erinnerung an Ostern 2024 verbunden. Denn da wurde nämlich die Bevölkerung zur Wassersparsamkeit aufgerufen und Großverbrauchern das Wasser reduziert bzw. ganz abgedreht, da die Hauptwasserleitung aus Magdeburg bei Bauarbeiten beschädigt wurde. Wäre es vielleicht nicht sinnvoller, für die kritische Infrastruktur einen Plan B aufzustellen, Herr Reinhardt? Schließlich geht ohne Wasser nichts mehr, da gibt es übrigens auch kein Brot mehr aus der Großbäckerei! Man sollte sich erinnern oder in die Archive gehen: Wenn der Bürger nichts zu essen hat, kann es ganz schnell kritisch werden.
Abschließend sei noch zum Märchen des nicht ausreichend verfügbaren Erdgases durch den Ukrainekrieg nur so viel geschrieben: Wer hat denn die Nord-Stream-2-Leitung für günstiges Erdgas aus Russland in die Luft gejagt und warum müssen wir dank der unfähigsten Regierung sowie eines Deindustrialisierungsministers z. B. Flüssiggas aus den USA kaufen? Wenn Carsten Franzke gern selber mit SKW „grün“ werden will, hilft ein Blick auf das Rückgrat der deutschen Automobilindustrie – nicht nur der VW-Konzern steht fast am Abgrund. Wer wird wohl von den Landwirten den überteuerten Dünger durch „grüne“ Produktion kaufen, wenn der Weltmarktpreis weit unter diesen Produktionskosten als bei SKW liegen würde? Viele Punkte zum Nachdenken, sofern die Ideologie nicht bereits überhandgenommen hat.
„Erst wenn die letzten Kühlschränke leer sein werden, die meisten Konten geplündert und die Konsumleidenschaft zum Erliegen gekommen sein wird, wird der Mainstream-Deutsche seine Grundinstinkte wiederentdecken. Und dann wird es spaßig. Bis dahin weiter Vollgas Richtung Regenbogen.“ – Verfasser unbekannt [7]
*Bildrechte: Kevin Deyring und Maik Bialek